Die Zauberlehrlinge - 3. Szene
Ohne Musik
Das Zwischenspiel geht weiter
(Der Geist und der Erzähler kommen wieder zur Mitte der Bühne)
Der Geist:
Man fragt sich und fragt sich und fragt sich.....
Der Erzähler:
Erzähle mir, Geist, was fragt man sich?
Der Geist:
Ich schwebe nun schon so lange durch diese Welt. Ich habe viele
Erneuerungen in der Musik erlebt. Auch anderswo. Was jedoch in
der letzten Zeit passiert, das ist eine Art destruktive
Erneuerungspsychose ohne deutliches Ziel. Das gilt nicht nur für die
Musik. Erneuerung um der Erneuerung willen! Man fragt sich.....
Der Erzähler:
Ist das denn überhaupt Erneuerung? Ich meine – Erneuerung
basiert sich doch auf dem, was erneuert werden soll?
Der Geist:
Man fragt sich halt.....
Der Erzähler:
Erzähle mir, Geist, was ist Musik?
Der Geist:
Früher wusste ich das genau und heute weiß ich es nicht mehr. Sie
mal, in der Literatur ist alles einfach: Es gibt eine Sprache und
damit wird durch Literaten Literatur gemacht. In der Musik hat es
auch lange Zeit eine Sprache gegeben. Das Alphabet einer Sprache
ist nur deren Grundmaterial. In der Musik heute scheint es lediglich
noch darum zu gehen, dem Alphabet, nämlich den zwölf Tönen,
einen musikalischen Inhalt abzuringen. Das Ergebnis ist also eine
Art musikalischer Dadaismus. Man kann ruhig sprechen vom
Komponisten als sprachlosem Alphabetiker. Einer, der sprachlos ist,
hat nichts zu sagen. In diesem Sinne kann man auch sprechen von
armseligen Geistern, die übrigens nicht meinesgleichen sind, sich
jedoch nicht scheuen, ihr eigenes Vakuum als eine Abspiegelung der
Welt auszugeben.
Der Erzähler:
Also gewissermaßen Anhänger eines Hexeneinmaleins?
Der Geist:
Sehr richtig! Man könnte sagen, dass Goethe schon etwas
vorausgeahnt hat. Ja, das Hexeneinmaleins:
„Du musst verstehen!
Aus Eins mach Zehn,
Und zwei lass gehen,
Und drei mach gleich,
So bist du reich.
Verlier die Vier!
Aus Fünf und Sechs -
So sagt die Hex -
Mach Sieben und Acht,
So ists vollbracht:
Und Neun ist Eins,
Und Zehn ist keins."
Mich wundert nur, dass noch kein Serialist auf die Idee gekommen
ist, um hieraus ein serielles Konzept zu entwickeln.
Der Erzähler:
Das muss damit zu tun haben, dass die Berufung auf Goethe nicht
anders als äußerst konventionell und somit als regressiv
eingeschätzt werden kann!
Erzähle mir, Geist, was ist Geist?
Der Geist:
Das bin ich! Ich muss dir jedoch sagen, dass die Welt unwirtlich für
mich geworden ist. Niemand scheint mich noch zu brauchen.
(Beide gehen wieder zur Seite der Bühne und setzen sich auf die Bank)
Die Musik geht zu Ende
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